Frank Wichert (1967 – 2024)

Im Januar 2024 erreichte das DISS die traurige Nachricht, dass Frank Wichert im Alter von 57 Jahren nach längerer, schwerer Krankheit am 8. Januar verstorben ist. Frank war lange Zeit in den 1990er und 2000er Jahren Mitarbeiter in unserem Institut. Während seines Studiums hatte er als studentische Hilfskraft bei Siegfried Jäger gearbeitet. Nach seinem Examen wurde er dessen wissenschaftlicher Mitarbeiter. Seine Mitarbeit im DISS konzentrierte sich vor allem auf diskursanalytische Studien zu Migration, Rassismus, Krieg und Biopolitik. Zu diesen Themen hielt er nicht nur im Institut zahlreiche Vorträge. In seiner Dissertation unternahm er eine Kritische Diskursanalyse, in der er die Konstruktion von Männlichkeitsbildern in hegemonialen Medien untersuchte. Im Institut war er einer der Gründungsmitglieder der Diskurswerkstatt, die heute immer noch existiert. Außerdem war er Mitglied des Beirats im DISS. Zu Siegfried Jägers 60.…

WeiterlesenFrank Wichert (1967 – 2024)

„Akkumulation – Überausbeutung – Migration“

Rezension von Wolfgang Kastrup Janina Puder: Akkumulation – Überausbeutung – Migration, Frankfurt/M.: Campus Verlag Frankfurt/ New York 2022, 343 Seiten, 44,00 Euro, ISBN 978-3-593-51639-4 Die vorliegende Veröffentlichung der Forschungsarbeit Akkumulation – Überausbeutung – Migration von Janina Puder, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Kassel, basiert auf ihrer Dissertation. Titel und Untertitel des Buches Arbeit im malaysischen Palmöl-Industriellen-Komplex verweisen speziell auf die Überausbeutung niedrigqualifizierter Arbeitsmigrant*innen am Beispiel des malaysischen Palmölsektors. Palmöl wird hauptsächlich in Malaysia und Indonesien angebaut und ist eines der wichtigsten Pflanzenöle auf dem Weltmarkt. In zahlreichen Nahrungsmitteln und Kosmetikprodukten ist der Rohstoff Bestandteil; zudem eignet sich Palmöl im Besonderen zur Herstellung „vermeintlich ökologisch nachhaltigen Biokraftstoffen“. (15) Auf der bisher wenig beachteten spezifischen Ausbeutung von Migrant*innen mit niedriger Qualifikation in diesem Palmölsektor liegt der Schwerpunkt der Untersuchung von Puder. Dabei bleibt der gravierende…

Weiterlesen„Akkumulation – Überausbeutung – Migration“

„Staatsgewalten“

Rezension von Wolfgang Kastrup Heide Gerstenberger: Staatsgewalten, Münster, Verlag Westfälisches Dampfboot 2023, 322 Seiten, 32 Euro, ISBN 978-3-89691-090-5 Heide Gerstenberger, emeritierte Professorin für die Theorie der bürgerlichen Gesellschaft und des Staates an der Universität Bremen, hat mit Staatsgewalten ein neues Buch veröffentlicht, das 2023 im Verlag Westfälisches Dampfboot erschienen ist. Bekannt ist Heide Gerstenberger vor allem durch ihre beiden herausragenden Werke Die subjektlose Gewalt. Theorie der Entstehung bürgerlicher Staatsgewalt und Markt und Gewalt. Die Funktionsweise des historischen Kapitalismus. Für letzteres Buch wurde sie 2023 mit dem Isaac and Tamara Deutscher Memorial Prize von der Historical Materialism Konferenz ausgezeichnet. Seit 1969 wird dieser Preis in Erinnerung an Isaac Deutscher jährlich für herausragende marxistisch orientierte Publikationen verliehen. Die in dem neuen Buch versammelten Analysen, erstveröffentlicht in verschiedenen Büchern und Zeitschriften von den 1970er Jahren bis…

Weiterlesen„Staatsgewalten“

Nancy Fraser über ein erweitertes Kapitalismus- und Sozialismusverständnis

Lesetipp von Helmut Kellershohn Nancy Fraser: Der Allesfresser. Wie der Kapitalismus seine eigenen Grundlagen verschlingt, Berlin: Suhrkamp 2023, 282 Seiten, 20,60 Euro, ISBN 978-3-518-02983-1 Nancy Fraser veröffentlichte 2022 zunächst auf Englisch, dann 2023 in Übersetzung auf Deutsch eine kapitalismuskritische Studie mit dem originellen Titel „Cannibal Capitalism“ („kannibalischer Kapitalismus.“). In der deutschen Übersetzung taucht diese Wortschöpfung erstmals in der Einleitung auf, als Titel verwendet sie das Bild des „Allesfressers“, der rundweg alles, aber auch alles für sich vereinnahmt. Nichts in der Welt ist sicher vor dem Appetit des Fressers „Kapitalismus“, es gibt kein Außen, das vor dem Zugriff des Fressers und „Kannibalen“ per se geschützt wäre. Das bezieht sich speziell und insbesondere auf die nichtökonomischen Bereiche des Kapitalismus und damit auf den Kapitalismus als Gesellschaftsform und nicht nur als Wirtschaftsform, als ökonomisches System im…

WeiterlesenNancy Fraser über ein erweitertes Kapitalismus- und Sozialismusverständnis

Das Grunderbe

Ein Symptom der ideologischen Verirrung in der SPD-Linken Von Wilfried Schollenberger Anlass Nach dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit seiner Pressemitteilung vom 15. Dezember 20211 und den Jusos mit ihrem Beschluss auf dem letzten Bundeskongress2 haben auch vier ostdeutsche SPD-Bezirke, besonders ausführlich Sachsen, mit ihren Anträgen auf dem Bundesparteitag die Einführung eines „Grunderbes“ gefordert.3 Nach den Berechnungen des DIW würde „ein Grunderbe in Höhe von bis zu 20.000 Euro für alle 18-Jährigen und deren Finanzierung durch Erbschaftsteuer oder Vermögenssteuer [...] die Vermögensungleichheit in Deutschland deutlich reduzieren. Je nach Ausgestaltung sänke der Gini-Koeffizient, das Standardmaß der Ungleichheit, um fünf bis sieben Prozent.“4 Die Jusos gehen einen Schritt weiter und fordern 60.000 Euro. Ungleichheit, und vor allem Vermögensungleichheit, ist schon länger ein heißes Thema. So hat der SPD-Kreisvorsitzende von Berlin Mitte, Yannick Haan, mit…

WeiterlesenDas Grunderbe

Der Ukraine-Krieg – Waffenstillstandsverhandlungen oder weitere Eskalation?

Von Wolfgang Kastrup Von vielen westlichen Politiker*innen und Medien wurde und wird eine atomare Eskalation von Seiten Russlands im Ukraine-Krieg als Panikmache, als Bluff und als bewusste russische Propaganda abgetan. Nun jedoch enthüllten die New York Times und CNN (vgl. der Freitag v. 14.03 2024), dass im Herbst 2022 die Welt am Rande eines Atomkriegs stand. Ranghohe russische Militärs erwogen infolge ukrainischer Geländegewinne in Richtung der Krim den Einsatz taktischer Atomwaffen. US-Präsident Biden wurde von seinen Geheimdiensten umgehend informiert und der Nationale Sicherheitsrat der USA trat zusammen. Auch Kanzler Scholz wurde von Biden unterrichtet. Mit der fehlgeschlagenen Offensive des ukrainischen Militärs endete die Krise. Auch im Februar 2024 wurden von US-Geheimdiensten erneut Gespräche russischer Militärs abgefangen, in denen wiederum über einen möglichen Atomwaffeneinsatz gesprochen wurde. Ausgangspunkt für diese Gespräche war die Forderung westlicher…

WeiterlesenDer Ukraine-Krieg – Waffenstillstandsverhandlungen oder weitere Eskalation?

Linien ziehen, aber wie?

Eindrücke vom Fachtag zum pädagogischen Umgang mit Reaktionen in Schule und Pädagogik im Rahmen des Projekts „Kompetenznetzwerk Antisemitismus“ der Bildungsstätte Anne Frank am 12. Dezember 2023 Von Martin Gerner Zum Thema Nahost-Krieg gehen die Emotionen seit dem 7. Oktober vergangenen Jahres nach wie vor auch in Schulen hoch. Nicht nur bei Schülern und Schülerinnen. Auch Lehrer:innen fühlen sich nach Umfragen und eigenen Angaben emotional und pädagogisch nicht selten überfordert. Zumal oft das nötige Fach- und Sachwissen fehlt. Hinzukommen Vorurteile, Diskriminierung, Hassgefühle und Hate Speech unter Schüler:innen. Islamisch-palästinensische Fluchtgeschichten, jüdische Holocaust-Erfahrungen und das Unwissen einer verunsicherten Mehrheit treffen dabei aufeinander. Welche Erfahrungen machen Lehrer:innen und Pädagog:innen zum Thema 7. Oktober an den Schulen? Wie können sie damit besser umgehen? Wie kann man die täglich auf Bildschirmen und in Social Media ablaufenden Ereignisse angemessen thematisieren,…

WeiterlesenLinien ziehen, aber wie?

Warum Antisemiten Alibi-Juden brauchen

Eine kurze Analyse der Juden in der AfD (JAfD) Von Jessica Hösel (Jüdische Hochschule Heidelberg) Die JAfD ist ein Instrument, um das Jüdische aus dem öffentlichen Diskurs zu verdrängen – auf den ersten Blick eine paradoxe Behauptung, denn eigentlich erwartet man das Gegenteil: dass nämlich eine jüdische Gruppe dabei hilft, jüdische Perspektiven deutlicher zu vertreten. Am Beispiel der JAfD möchte ich dagegen aufzeigen, dass Antisemiten Alibi-Juden benötigen, um die eigene Ideologie zu legitimieren. Die AfD als Teil der extremen Rechten distanziert sich vordergründig vom Nationalsozialismus und Antisemitismus, pflegt aber ideologisch eine Dichotomie zwischen dem Phantasma eines homogenen Volkes und einer ‚globalistischen Elite‘ aus Medien, Regierung, Gewerkschaften, Kirchen und sonstige Institutionen. Ihr wird unterstellt, die deutsche Gesellschaft mittels Globalismus und Liberalismus, kurz durch einen „Großen Austausch“ zerstören zu wollen (Ayyadi 2023). Da aber Liberalismus…

WeiterlesenWarum Antisemiten Alibi-Juden brauchen

Tausend feine Risse

Der Forschungsbericht zum DISS-Projekt ‚Judentum‘ in der deutschen Alltagspresse liegt vor Von Jobst Paul Mit ihrer Förderbekanntmachung Aktuelle Dynamiken und Herausforderungen des Antisemitismus verband die Bundesregierung im April 20201 zwei große Gesten: Zum einen wandte sie sich mit einem 700 Millionen-Forschungsprogramm ausdrücklich an die deutschen Geistes- und Sozialwissenschaften. Und zum andern rief sie zu einer bundesweiten wissenschaftlichen Vernetzung auf, um dem Kampf gegen Antisemitismus ein nachhaltiges institutionelles Instrument an die Seite zu stellen. Ergebnis war die Bildung von zehn Forschungsverbünden, die sich mit einer Fülle von Einzelprojekten am Forschungsnetzwerk Antisemitismus im 21. Jahrhundert (FoNA21) beteiligen. Im Verbund Jüdische Reaktionen auf Antisemitismus. Die Entgrenzung des Sag- und Machbaren in der jüdischen Ritualpraxis (2021 – 2024) haben sich die Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg (Frau Rabbinerin Prof. Birgit Klein) und das DISS (Dr. Jobst Paul)…

WeiterlesenTausend feine Risse

Populismus und seine ausgrenzenden Effekte als gesellschaftliche Entwicklung

Bericht über einen Workshop im DISS Von Margarete Jäger & Iris Tonks Populistische Politikansätze sind nicht nur in Europa, sondern weltweit auf dem Vormarsch. Vor diesem Hintergrund fand Anfang November in Kooperation mit der Radboud Universiteit Nijmegen in unserem Institut ein Workshop unter dem Titel Populismus und seine ausgrenzenden Effekte als gesellschaftliche Entwicklung statt.1 Populistische Ansätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie scheinbar einfache Lösungen für komplizierte Sachverhalte bieten. Doch ziehen sie zumeist neue gesellschaftliche Probleme wie etwa Ausgrenzungen bestimmter Personengruppen nach sich. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden – das hat die jüngste Parlamentswahl in den Niederlanden unmissverständlich deutlich gemacht – rückt das Thema Populismus immer mehr in den Vordergrund und wird die politische Zukunft unserer Länder mitbestimmen. Erwartbar wird Populismus auch bei den bei den Europawahlen 2024 eine…

WeiterlesenPopulismus und seine ausgrenzenden Effekte als gesellschaftliche Entwicklung

Inhalts-Ende

Es existieren keine weiteren Seiten